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1. Advent: Licht in dunklen Zeiten

  • Autorenbild: Lizbeth
    Lizbeth
  • 30. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit
Scrabblesteine: Advent
Erster Advent

Warum wir das Licht selbst anzünden müssen

Es ist leicht, im Dezember vom großen Wunder zu träumen. Von einer rettenden Wärme, die irgendwann wie von selbst durch die Ritzen zieht und alles gut macht. Aber so funktioniert es nicht. Wärme ist selten ein Geschenk von oben. Sie entsteht, wenn wir sie einander schenken. Hoffnung ist kein Wetterbericht, Hoffnung ist persönliche Arbeit. Man sieht es an jeder Kerze: Jemand muss ein Streichholz entzünden, die Flamme schützen, bis sie stabil brennt, und dann erst beginnt das Licht, den Raum zu verändern.

Vielleicht klingt das unromantisch. Schließlich leben die Festtage von Geschichten, in denen sich etwas Fügung nennt und von selbst zusammenfindet. Doch hinter jedem Vorbild stehen Menschen, die einen ersten Schritt gemacht haben. Jemand, die:der eine Tür aufschloss. Jemand, die:der sich aufbäumte, als andere zitterten. Jemand, die:der den Mut hatte, zu sagen: Ich bin da. Die gute Nachricht daran ist, dass wir nicht warten müssen. Wir können anfangen, bevor alles perfekt ist.

Licht entsteht aus Handlung, aber auch aus Haltung. Man kann eine Kerze anzünden, um die Dunkelheit zu vertreiben. Man kann sie auch anzünden, um zu zeigen: Ich weiche nicht. Diese kleine Flamme sagt etwas über uns aus. Sie bekennt sich zum Zärtlichen, obwohl der Ton der Welt häufig rau ist. Sie widerspricht dem Zynismus, der behauptet, Mitgefühl sei naiv. Wer eine Kerze beobachtet, weiß, wie schnell die Flamme erlischt, und schützt sie genau deshalb. Das ist nicht naiv, das ist verantwortungsvoll.

Die dunklen Zeiten sind nicht nur meteorologisch. Sie sind die Stunde der Vereinzelung, der Terminkalender, der Nachrichten, die drücken. Das Gegenmittel ist selten spektakulär. Es ist das klingelnde Telefon, hinter dem sich ein echtes "Wie geht’s" verbirgt. Es ist die Tasse Tee, die wortlos neben eine müde Person gestellt wird. Es ist das Teilen von Zeit, obwohl Zeit knapp ist. Es ist das Organisieren von Wärme, nicht das bloße Wünschen. In vielen Städten stehen Kühlschränke, in die man Essen legen kann. Vereine sammeln für Menschen ohne Wohnung Decken und Handschuhe. Schulen richten stille Kassen ein, damit niemand an einer Klassenfahrt scheitert. Das alles sind Flammen, welche Licht geben, bis der Raum wieder hell ist und freundlich wirkt.

Rituale helfen dabei. Sie sind keine Zauberformeln, sondern Werkzeuge. Ein Adventskranz ist ein Projektplan in Grün: Woche für Woche wächst das Licht, wenn jemand sich kümmert. Das Anzünden wird zu einer Verabredung mit der eigenen Aufmerksamkeit. Man setzt sich, atmet und fragt sich: Wo kann ich heute ein Licht sein? Solche Fragen verändern Tage, weil sie den Blick verschieben vom Mangel auf Möglichkeiten. Rituale sind nicht dazu da, uns zu beschäftigen, sondern uns zu verankern.

Zur Wahrheit gehört auch die Begrenzung. Wir können nicht alles und jede:n retten. Wir können aber bewusst wählen, wo unser Licht stehen soll. Manchmal ist es das Gespräch mit Nachbar:innen, die man nur vom Grüßen kennt. Manchmal ist es eine Spende, die nicht aus Pflicht, sondern aus Überzeugung gegeben wird. Manchmal ist es die klare Haltung, wenn Menschen herabgesetzt werden. Wärme ist nicht weichgespült. Sie hat Kante, wenn sie Grenzen schützt. Auch das gehört zum Anzünden: die Flamme so platzieren, dass sie nicht nur tröstet, sondern sichtbar widerspricht, wo es nötig ist.

Die kleinen Flammen zählen, weil sie sich ausbreiten. Wer Hilfe erfährt, hilft eher weiter. Wer gesehen wird, sieht genauer hin. Das ist die stille Macht der Hoffnung. Sie wird nicht in Likes gezählt, sondern in Blicken, in Anrufen, in Schritten vor die Tür. Sie wächst sich durchs Mitmachen. Ein Wohnzimmer, in dem Kerzen brennen, ist schön. Ein Hausflur, in dem Menschen füreinander sorgen, ist besser. Eine Straße, in der niemand erfriert, ist die richtige Richtung.

Vielleicht ist das der Kern der Adventszeit: nicht die Sehnsucht nach Unerreichbarem, sondern die Übung des Machbaren. Wir üben, die Hand auszustrecken. Wir üben, zuzuhören. Wir üben, uns zu entschuldigen, wenn wir danebenlagen. Jede Übung ist ein Funke. Und irgendwann merkt man, wie anders der Raum klingt, wenn viele Funken unterwegs sind. Das Knistern ist kein Feueralarm. Es ist das Geräusch der zugewandten Stadt.

Am Ende bleibt eine einfache Frage, die anspruchsvoll ist: Welche Flamme entzünde ich heute. Vielleicht ist es nur ein kurzer Gruß, der länger nachhallt, als man denkt. Vielleicht ist es ein Abend, an dem für jemanden man kocht, die:der erschöpft ist. Vielleicht ist es der Entschluss, in einer Organisation mitzumachen statt bloß zu applaudieren. Vielleicht ist es das erste eigene Ritual, das man startet, weil keines der alten passt. Es braucht kein großes Drama. Es braucht ein Streichholz, eine Hand, die es hält, und die Bereitschaft, die Flamme zu schützen.

Warten wir also nicht auf ein Wunder, das die Kälte aus den Straßen hebt. Machen wir es wärmer, Schritt für Schritt. Zünden wir die Kerzen an, die wir in uns tragen. Und wenn der Wind kommt, stellen wir uns dicht nebeneinander, damit keine ausgeht.

Eure, Lizbeth

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